Romanauszüge

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War er liiert mit einer Frau, dieser Eva, oder blieb er der einsame Wolf, als der er sich gerne verkaufte, dachte Scheuerlein. An der Front des Opernhauses blickte er nach oben, sah die Figuren in Bronze und schweifte zurück zum Platz für die Führerstandarte, die hier wieder aufgezogen werden würde, wenn die "Meistersinger" gegeben werden am Montagabend, den Abend des Eröffnungstages. Furtwängler wird dirigieren, wie man hört. Die Pauken der Ouvertüre drangen direkt in sein Hirn, elektrisierten ihn, seit er im Rundfunk die Oper einmal gehört hatte. Deutschlands Zukunft sei ja ein großer Wagnerfreund, jedes Jahr auch in Bayreuth. Fast hatte man da in der Wochenschau den Eindruck, der Führer liebte Winnifred, zumindest die Musik ihres Vorfahren. Nur die Themen der Wagneropern störten ihn ein wenig: Immer Tod und Endgültigkeit; die Geschwister der Vorsehung waren das hoffentlich nicht, befürchtete Scheuerlein. Obwohl - die Meldungen in den Zeitungen deuteten schon dunklere Wolken über Europa an, denn der Westen war mit dem Druck, den Deutschlands Zukunft und ihre Paladine auf die Tschechei ausübten, nicht glücklich. Gab es einen Zusammenhang zwischen Musik und Politik?

Bei diesen Gedanken ruckte die Linie 8E an und rollte mit ihnen Richtung Südstadt. Der Wagenkasten quietschte und neigte sich in den Kurven, gerade dieses Spiel mit der Kraft und der Physik war es, was er mochte. Man kann nur begrenzt seinen Willen umsetzen, jetzt, in der Bahn, regierten andere Kräfte. Wie im Präsidium, wie es schien. Wagner verschwand. Die Backsteinfassaden an der Christuskirche etwas rußig von den vielen Wintern gaben ein wärmeres Rot als das vorherrschende im Stadtbild, eine gute Gegend ab hier, Arbeiterviertel nahe beim Zählerwerk, rüber bis Gibitzenhof. Die Hauswartsfrau machte keine Umstände, als sie sich vorgestellt hatten, gab ihnen die Wohnungsschlüssel und - blieb bei ihnen. Etwas anderes hätte Scheuerlein auch gewundert, hier ging es schließlich um notwendige Neuigkeiten für das Haus. Im dritten Stock war die Wohnung, Mitte. Ein günstiges Namensschild aus Bakelit war an die Türe geschraubt: Gunda Mack.

Schon der Flur war hell, nur weiß mit einer Schuhablage. Schöne Schuhe, Leder, drei Paar. Eine Strickjacke hing am Haken. Zwei Zimmer, Küche und Bad mit Toilette. Nicht schlecht, das Klosett in der Wohnung. Alles sehr ordentlich, gut aufgeräumt. Sie gingen ins Wohnzimmer, suchten in den Schubladen des Schrankes, der da in Birke vor ihnen stand nach Papieren, nach Persönlichem. Eine Mappe mit Ausweis und Zeugnissen. Sonst nichts.

In der Mitte des Zimmers ein Tisch, ein neues schwarz-weißes Kunststoffmosaik zierte ihn, eingerahmt von zwei Sesseln, die etwas zu wuchtig für den Raum waren, diese tiefrot im Bezug. Auf dem Wohnzimmertisch ein "Illustrierter Beobachter", eine Woche alt.


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